Kapitän*in auf dem eigenen Lebensschiff

Am 26. Juni ist der internationale Tag gegen Drogenmissbrauch und illegalen Drogenhandel. Ein Tag, der mit Vorurteilen aufräumen und Verständnis bringen soll für Menschen, die als letzten Halt im Leben Alkohol oder Drogen benötigen. Und die dann genau wegen dieser Substanz in die Abhängigkeit rutschen. Hilfe bekommen diese Menschen in den Suchtberatungsstellen der Caritas Vorarlberg.

Es ist wie so oft im Leben: Eine Klientin, nennen wir sie Karin, ist erfolgreiche Buchhalterin, verheiratet und stets bemüht, gepflegt und stilsicher in der Öffentlichkeit aufzutreten. Niemand würde vermuten, dass sie Cannabis konsumiert – und das täglich. Um „herunter zu kommen“ und abzuschalten, wie sie erklärt. Ihr ganzes Leben lang steckte sie in Partnerschaften mit sehr dominanten Männern, auch ihr Ehemann unterdrückt sie. Dennoch schafft sie es nicht, sich zu aus dieser Ehe zu befreien. “Im Beratungsprozess mit uns kam dann heraus, dass sie aufgrund frühkindlicher Erfahrungen an Verlassenheitsängsten leidet und sich daher von den toxischen Beziehungen nur schwer lösen kann und sich stattdessen mit Cannabis `betäubt`“, erzählt Cathrin Müller, Suchtberaterin in der Suchtfachstelle Feldkirch. Karin wurde professionell von der Caritas begleitet – im Prozess war ihr negativ geprägtes Selbstbild ein Thema, in weiterer Folge lernte sie zunehmend wieder eigenständiger und selbstbewusster zu handeln. „Nicht immer ist das Therapieziel die absolute Abstinenz, oft ist es schon ein enormer Fortschritt, kontrollierter zu konsumieren und wieder die Kapitänin oder der Kapitän im eigenen Lebensschiff zu sein – und nicht nur Passagierin oder Passagier“, weiß die erfahrene Sozialarbeiterin.

Selber Schuld - oder doch nicht?
Abhängigkeitserkrankungen sind als solche im Klassifikationssystem psychischer Erkrankungen definiert. „Viele Menschen denken, dass es durch Eigenverschulden zu dieser Krankheit kommt. Zu Beginn ist der Konsum ja auch noch kein krankhaftes Verhalten. Erst ist es beispielsweise das berühmte Feierabendbier, später kommt noch Kokain dazu, um die Wirkung zu verstärken und irgendwann konsumiert man regelmäßig, um sich besser zu fühlen und mehr Leistung zu erbringen. Und schon hat sich dieses Verhalten manifestiert und führt zu komplexen neuronalen Prozessen, die das Gehirn nachhaltig verändern können. In Kombination mit psychischen und sozialen Faktoren kann das schließlich zur psychischen Erkrankung führen. Die Kontrolle geht zunehmend verloren, wenngleich eine Verhaltensänderung zu jedem Zeitpunkt möglich ist“, weiß Cathrin Müller. Dabei gibt es kaum Geschlechterunterschiede, wie man das vermuten würde. „2020 waren 54 Prozent der Ratsuchenden männlich, 46 Prozent weiblich, wobei die Anzahl weiblicher Personen, die unsere Angebote nutzen, in den vergangenen Jahren angestiegen ist.“

Jugend und Drogen

„Es gibt drei Faktoren, die am Suchtgeschehen beteiligt sind – die Person selbst, deren Umfeld und die Droge. Als Eltern kann ich prinzipiell versuchen, in allen drei Bereichen positiven Einfluss zu haben, allerdings bewegen sich Kinder in mehreren sozialen Systemen. Auch andere Faktoren wie Schicksalsschläge können eine Rolle dabei spielen, ob ein Kind in eine Abhängigkeit rutscht. Wichtig ist, die persönlichen Ressourcen und Kompetenzen der Kinder und Jugendlichen zu stärken. Eine sichere Bindung zu Bezugspersonen von Klein auf und ein Zuhause, in dem man über Probleme, aber auch über Substanzen und Konsum sprechen kann, in Kombination mit Grenzen setzen bilden eine gute Basis, um der Versuchung ´Droge´ zu widerstehen.“

Cathrin Müller: „Anlässlich dieses Internationalen Tages wünschen wir uns für unsere Klientinnen und Klienten eine Entstigmatisierung sowie Offenheit und Verständnis für die Vielfalt der Lebenswelten in unserer Gesellschaft.“

 

Kontakt:

Suchtfachstelle Feldkirch

T 05522-200 1700

E suchtfachstelle.feldkirch@caritas.at

https://www.caritas-vorarlberg.at/unsere-angebote/sucht