Achtung Suchtfalle! Warum Corona eine große Nachfrage an Beratungsangeboten schafft.

Die Beratungsangebote der Suchtfachstellen der Caritas verzeichnen momentan eine besonders starke Nachfrage: Im ersten Quartal 2021 erhöhte sich die Zahl der Kontaktaufnahmen im Vergleich zum Vorjahr massiv um rund 60 Prozent.

 

„Durch Corona und die damit verbundenen Einschränkungen wurden die eigenen Lebenswelten für uns alle kleiner, beziehungsweise hat sich das Leben mehr in die eigenen vier Wände verlagert. Viele Familien mussten oft auf engstem Raum ständig zusammenleben. Dadurch sind auch Verhaltensweisen, wie beispielsweise ein hoher Alkohol- oder Cannabis-Konsum oder auch Essstörungen Angehöriger mehr aufgefallen als sonst“, schildert Monika Chromy, Fachbereichsleiterin der Suchtarbeit der Caritas Vorarlberg, im Rahmen eines Pressegesprächs die Erfahrungen ihres Teams in den vergangenen Monaten. Die Folge: Problemlagen in Familien wurden so viel stärker bewusst und führten zu Reaktionen des Umfeldes.

 

Betroffene verspüren mehr Druck

Das gestiegene Gefühl gesellschaftlicher Verunsicherung und die persönlichen Sorgen durch fehlende Planungssicherheit verstärken zudem den psychischen Druck auf jede und jeden Einzelnen. „Ängste, Sorgen um die Existenz, der Wegfall wichtiger sozialer Kontakte und damit verbunden ein Gefühl von Einsamkeit lässt zunehmend Menschen Ersatz suchen. In Anbetracht der steigenden Zahl an internen und externen Stress-Faktoren und einem Mangel an alternativen Bewältigungsstrategien ist der Weg zu Alkohol oder Medikamenten nicht weit. Diese problematischen Verhaltensmuster stabilisieren die Situation aber nur scheinbar und sind keine Lösung“, skizziert die klinische Psychologin Linda Dreher-Bilgeri, den Weg in die Sucht. Sie leitet die Suchtfachstellen im Oberland und kennt die fatalen Auswirkungen auf Betroffene und Umfeld, wenn das Suchtverhalten unkontrollierbar wird.

 

Zahlen belegen: sprunghafte Zunahme

Nach dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 war einerseits eine Stagnation der Neuanfragen zu verzeichnen. Das Arbeitspensum blieb dennoch das gleiche, denn bereits in Begleitung befindliche Klient*innen brauchten gerade jetzt in dieser Krisensituation wesentlich mehr Zeit und Unterstützung. Die durchschnittliche Betreuungszeit stieg um ein Fünftel an. „Und jetzt erleben wir eine überdurch-schnittlich hohe Nachfrage nach unseren Betreuungsangeboten – im ersten Quartal erhöhte sich die Zahl der Kontaktaufnahmen im Vergleich zum Vorjahr sehr deutlich um 65 Prozent“, berichtet Monika Chromy. „Dies sehen wir als ersten Warnhinweis für eine zu erwartende Entwicklung. Daher ist es wichtig, gerade jetzt möglichst viele Menschen mit der Information über konkrete Beratungsangebote zu erreichen“.

 

Was kann ich konkret tun?

Hilfe von außen in Anspruch zu nehmen wird empfohlen,

 

·         …wenn ich das Gefühl habe, dass etwas mit mir nicht mehr stimmt,

·         …wenn mein Konsumverhalten mich bestimmt und ich selbst es nicht mehr    steuern kann,

·         …wenn ich Dinge, die mir an sich wichtig sind, vernachlässige,

·         …wenn ich mich schwer aufraffen kann, etwas zu tun.

 

In diesen Situationen bietet es sich an, das Gespräch mit fachlich geschultem Personal zu suchen. Für Betroffene wie Angehörige stehen die Fachleute der Suchthilfe kostenlos zur Verfügung. Auf Wunsch mit kurzfristiger Terminvergabe oder auch anonym.

 

Angehörige auch im Blick

Einen besonderen Fokus legen die Mitarbeiter*innen der Caritas Suchtfachstelle auf die Begleitung Angehöriger: “Auch wenn der suchtkranke Mensch vielleicht keinen Wunsch nach Veränderung verspürt, so können Angehörige dennoch etwas bewirken“, so die beiden Suchtexpertinnen. „Angehörige leiden oft stärker als die Betroffenen selbst. Sie müssen in erster Linie darauf schauen, dass sie für sich selbst und die Kinder gut sorgen – unabhängig vom Alkoholkonsum des Partners“, beschreibt es Monika Chromy an einem Beispiel: „Wenn Angehörige beispielsweise die leergetrunkenen Flaschen wegräumen, dem Arbeitgeber melden, dass ihr Mann/Frau `krank´ ist oder sie versuchen, die Sucht ihres Partners/Partnerin vor Nachbarn zu verstecken, ist das eine enorme Belastung für Angehörige. Zielführender ist es hingegen, dass Betroffene die Konsequenzen ihres Alkoholkonsums selbst tragen müssen.“ Ständige Vorwürfe oder das Verstecken des Alkohols führen hingegen dazu, dass suchtkranke Menschen im Geheimen trinken. Es gelte - so der dringende Rat an Angehörige, sich auf sich selbst zu konzentrieren und sich selbst Hilfe und Gesprächspartner*innen zu suchen, macht Monika Chromy sichtlich Mut, Hilfe von außen zu holen.

 

Die Kosten für alle Unterstützungsleistungen der Caritas Suchtarbeit übernimmt das Land Vorarlberg.

 

Alle Infos:

Suchtfachstelle der Caritas Vorarlberg

T. 05522/200-1700 / Anfragen bei  rstkontakt auch anonym

E: suchtfachstelle@caritas.at

W: www.caritas-vorarlberg.at/