Wenn sich Geflüchtete, Mitarbeiter*innen der Caritas, eine Landtagsabgeordnete, eine Gemeindemitarbeiterin und ein Kulturschaffender in einem Stadel treffen, hat das etwas zu bedeuten. Und nicht nur das. Es wird auch rege diskutiert, gelacht und philosophiert. So geschehen kürzlich in der Artenne Nenzing beim Erzählabend der youngCaritas im Rahmen der Wanderausstellung „Zuhause in mir“.
Über das Thema „Flucht“ könnte vermutlich wochenlang non-stop diskutiert werden. Ein Abend in der wunderschönen Location der Artenne wäre dafür sicherlich ein guter Anfang. Landtagsabgeordnete Vahide Aydin, Gemeindemitarbeiterin in Nenzing Gerlinde Sammer, Artenne-Hausherr Helmut Schlatter, Mitarbeiter der Caritas Flüchtlingshilfe Markus Roth, Lerncafé-Koordinator Omar Kasim und Fachbereichsleiterin der PfarrCaritas Ingrid Böhler jedenfalls berichteten emotional und authentisch über ihre ganz persönlichen Erfahrungen mit diesem Thema. Musikalisch umrandet wurde der Abend mit dem Duo Brothers & Borders“.
Landtagsabgeordnete Vahide Aydin flüchtete als junges Mädchen mit ihrer Familie aus der Türkei nach Österreich. An die Zeit ihrer Ankunft hier in Vorarlberg kann sie sich noch gut erinnern: „Ich habe damals Menschen kennengelernt, die mich an die Hand genommen und unterstützt haben. Für mich waren vor allem die Nachbarskinder und meine Volksschullehrerin enorm wichtig. Sie hat damals mein Potential erkannt und mich auch in ihrer Freizeit gefördert. Dafür bin ich ihr heute noch unendlich dankbar.“ Nicht ganz so entspannt erlebte der Syrer Omar Kasim seine Ankunft vor fünf Jahren in der Steiermark: „Anfangs gab es Probleme mit einer Nachbarin in der Wohnanlage, in der ich mit meiner Frau und meinen Kindern gewohnt habe. Aber wir ließen uns nicht entmutigen, waren höflich und teilten unser Essen mit ihr, denn das ist in meiner Kultur so üblich. Schließlich haben wir uns alle gut verstanden. Ich sehe uns als Gäste hier in einem Land, das uns die Türen geöffnet hat“, erzählt der dreifache Familienvater.
Gemeinsamkeiten
Markus Roth von der Caritas Flüchtlingshilfe kennt die Sorgen und Nöte der Menschen, die alles zurücklassen mussten und oft viele Jahre auf einen positiven Aufenthaltsbescheid warten müssen: „Integration einzelner Personen ist ein dynamischer, individueller und oft sehr langer Prozess. Und mit dem Ankommen ist die Flucht noch nicht zu Ende. Die Menschen sehen sich konfrontiert mit einer völlig fremden Kultur, Traumas aus der Vergangenheit, vielleicht auch Rassismus und abfälligen Blicken. Nicht selten wird bei den Themen (soziale) Integration und Ankommen´ außer Acht gelassen, dass Integration im gesellschaftlichen Kontext ohne Selbstbestimmung nicht funktionieren kann. Der Wunsch ein freies und selbstbestimmtes Leben zu führen, könnte die größte Gemeinsamkeit darstellen, um gelingende Integration zu bewirken.“
Auf die Gemeinsamkeiten setzt auch Gerlinde Sammer, die mit einer kleinen Umfrage unter den Zuschauern bewies, dass viele der Gäste dieses Abends nicht ausschließlich nur in Nenzing, Vorarlberg oder Österreich gelebt haben. „Für jede und jeden ist es schön, in der neuen Heimat willkommen geheißen zu werden – egal ob die neuen Mitbürger und Mitbürgerinnen geflüchtet, aus beruflichen oder privaten Gründen zugezogen sind. Ein freundliches Wort, Hilfe bei den vielen Behördenwegen und Interesse an den Menschen reicht vielleicht schon aus, um den neuen Bürgerinnen und Bürgern ein Gefühl von Heimat zu geben.“
Brücken bauen
Selbst die Kultur und die Kunst kann Brücken zwischen Nationalitäten bauen: „Musik braucht keine Worte und Kunst verbindet“ ist Helmut Schlatter überzeugt und stellt seine Artenne gerne für Veranstaltungen dieser Art zur Verfügung.
„Letztlich“, betont Vahide Aydin, „sehe ich uns alle, die wir hier leben, als Österreicherinnen und Österreicher. Wenn es überhaupt eine Unterscheidung geben sollte, dann vielleicht die zwischen Bio-Österreichern und Österreichern.“