Caritas schnürt „Anti-Sorgenpaket“

In zweieinhalb Wochen starten über 58.000 Schüler*innen – darunter 17.000 Volksschulkinder - in das neue Schuljahr.  Doch je näher dieser Tag rückt, umso größer werden die Sorgenfalten bei vielen Vorarlberger Eltern. Die Teuerung macht keine Ferien. Die außerordentliche Situation fordert auch die Caritas Vorarlberg. Mit zusätzlichen Hilfsangeboten setzt die Caritas alles daran, um Kindern ihre Zukunftschancen zu sichern und Haushalte in besonderen Notlagen aufzufangen.

„Beim Schulschluss Anfang Juli lag die Teuerung bereits auf einem unvorstellbaren Niveau. Zum Schulbeginn Mitte September wird sie allerdings nochmals darüber liegen. Die Teuerung macht leider keine Ferien. Diese Entwicklung trifft jede und jeden, am härtesten aber Menschen und Haushalte mit weniger Ressourcen. Und sie hat uns als Gesellschaft im Gesamten in eine wirklich kritische Situation gebracht“, erläutert Caritasdirektor Walter Schmolly am Beginn des Pressegesprächs im Lerncafé in Feldkirch. „Wir müssen deshalb alles daransetzen, um gemeinsam zwei Ziele zu schaffen: Erstens dass die Teuerung keinem Kind seine Entwicklungschancen raubt, und zweitens dass die soziale Schere zwischen Arm und Reich sich nicht weiter öffnet.“

Anhand des sogenannten Miniwarenkorbes, der einen wöchentlichen Einkauf abbildet, wird das ganze Ausmaß der tatsächlichen Teuerung deutlich vor Augen geführt. „Laut Statistik Austria liegt hier die Teuerung weit über der allgemeinen Inflationsrate von derzeit 9,3 Prozent, nämlich bei 19,1 Prozent, und nimmt man nur den Lebensmitteleinkauf, dann liegen wir in Vorarlberg gegenüber November 2021 bei über 27 Prozent Teuerung“, so Walter Schmolly. „Das sind die tatsächlichen Zahlen, mit denen Haushalte zu kämpfen haben, die mit kleineren Budgets auskommen müssen. Und das sind bei weitem nicht mehr nur die „klassischen“ armen Haushalte, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, die Teuerung geht zunehmend an die Substanz der Mittelstand-Haushalte. In unseren Beratungsstellen spiegelt sich das im frappierenden Anstieg bei den Anonymberatungen und Erstkontakten.“ (Zahlen: Anonymberatungen: Jänner bis Juli 2019: 153, Jänner bis Juli 2022: 382, Erstkontakte Jänner bis Juli 2019: 458 Jänner bis Juli 2022: 677)

Zusätzliche Hilfe der Caritas

Die außerordentliche Situation fordert auch ein außerordentliches Engagement der Caritas. „In diesem Sinne stockt die Caritas ihr Hilfsangebot auf, um Kindern ihre Zukunftschancen zu sichern und Haushalte in besonderen Notlagen aufzufangen“, sagt Walter Schmolly. Im Konkreten betrifft das vier Handlungsfelder: Beratung, Überbrückungshilfen, Lerncafés sowie Schulpakete und Second hand-Angebote.

1. Beratung leichter zugänglich

Es fällt nicht leicht, den Überblick zu bewahren, welche Anti-Teuerungs-Maßnahmen für welche Zielgruppe gesetzt werden und zu welchem Zeitpunkt über welchen Weg sie dann auch tagsächlich bei den Betroffenen ankommen. Vor allem für Menschen, die es nicht gewohnt sind, auf Unterstützungen angewiesen zu sein, ist diese Situation sehr herausfordernd. Das hilfreichste Instrument in dieser Unübersichtlichkeit ist Beratung. Christian Beiser von der Beratungsstelle Existenz&Wohnen berichtet aus der Praxis: „Im Unterschied zu den vergangenen Jahren ist die Anzahl der Erstkontakte um gut die Hälfte angestiegen. Ein Drittel der von uns unterstützten Haushalte hatte zuvor noch keinen Kontakt zu uns, von den insgesamt 2092 Haushalten, die wir von Jänner bis Juli 2022 unterstützten, sind 677 Haushalte neu dazugekommen.“ Um für die kommenden Herausforderungen gerüstet zu sein, wurde der Zugang zum Beratungsangebot „Existenz&Wohnen“ verbessert und niederschwelliger gestaltet. Der Zugang zu den Hilfsangeboten ist nun auch über eine Online-Sozialberatung möglich. Unter der Internet-Adresse www.caritas-wegweiser.at können Hilfesuchende die richtige Stelle für ihre Notlage finden. „Der Online-Wegweiser führt über ein paar wenige Abzweigungen rasch hin zu einer inhaltlich und regional passenden Ansprechperson, bei der man mit der jeweiligen Problemlage wirklich ankommen kann und gut aufgehoben ist“, so Christian Beiser.

2. Überbrückungshilfen aufstocken

Es gibt Situationen, in denen öffentliche Hilfen nicht oder noch nicht greifen oder ein unvorhersehbares Ereignis rasche und unbürokratische Hilfe erforderlich macht. In solchen Fällen hilft die Caritas mit Überbrückungshilfen aus Spendenmitteln. „Wir haben diese Überbrückungshilfen an die aktuelle und tatsächliche Teuerung angepasst“, erläutert Christian Beiser. „Mit August haben wir den Wert der Unterstützungspakete um ein Drittel erhöht.“

3. Lerncafés – Angebot erweitern

Wenn der Druck auf Familien, die es ohnehin schon schwer haben, weiter steigt, dann wächst auch die Gefahr, dass Kinder um ihre Zukunftschancen gebracht werden. Schnell geraten sie mit in den unseligen Strudel der Armutsvererbung. „Armut wirkt sich negativ auf Bildungschancen aus, doch gleichzeitig kann Armutsprävention durch Bildung geschehen“, sagt Bea Bröll, Stellenleiterin der insgesamt 15 Lerncafés im ganzen Land. Die Caritas hat deshalb gemeinsam mit den Gemeinden und dem Land das Lerncafé-Angebot in Umfang und Qualität nochmals erweitert. In den Lerncafés erhalten Kinder und Jugendliche aus finanziell benachteiligten Familien kostenfreie Unterstützung bei den Lern- und Hausaufgaben. Zusätzlich finden auch die Eltern bei den Koordinator*innen ein offenes Ohr für ihre Anliegen und werden bei Kontakten mit den Schulen unterstützt.

So werden die Angebote der Lerncafés ganz konkret aufgestockt:

  • Die SummerSchool in den letzten Ferienwochen zur Vorbereitung auf das kommende Schuljahr wird an allen Standorten angeboten. 180 Schüler*innen nehmen daran teil.
  • Um die eintreffenden Anfragen nach Lernplätzen bewältigen zu können, werden ab Herbst zusätzliche Lern-Nachmittage in den Lerncafés angeboten.
  • Weiters nimmt nächste Woche in Muntlix in Zusammenarbeit mit der Regio Vorderland ein neues Lerncafé mit der SummerSchool seinen Betrieb auf.
  • Gerade das Lernen in Kleingruppen und bei Bedarf auch in Einzelbetreuung ermöglicht es, die Schüler*innen individuell und zielgerichtet zu unterstützen. Um diese Standards weiterhin anbieten zu können, sind die Lerncafés auf das Engagement der Freiwilligen angewiesen. Neben der Lernbegleitung wirkt sich besonders deren Beziehung zu den Kindern positiv auf den Lernerfolg aus.
4. Schulpakete und second hand-Angebote

Ein Schulstart ohne eine Schultasche und Arbeitsmaterial, das auch der Schüler*in Freude bereitet, ist kein guter Schulstart. Die Caritas stellt deshalb für Kinder in betreuten Einrichtungen Schulpakete zusammen. Die carla-Stores und Shops bieten ganz speziell zum Schulbeginn und weit darüber hinaus ein attraktives Angebot, um preis- und umweltbewusst einzukaufen.

Aktionswochen in den carla Shops und Stores

  • 29. August bis 3. September: Themenwoche Schule im carla Möslepark Altach und carla Store Bludenz
  • 1. bis 3. September: Kiloshop im carla Möslepark Altach unter dem Motto „Back to school“. Zum Kilopreis kann preiswert und nachhaltig Kleidung eingekauft werden.

Eine Herausforderung, die nur gemeinsam zu stemmen ist
„Wir stehen heute als Gesellschaft an einem kritischen Punkt. Mehrere sich überlagernde Krisen und ein frontaler Angriff auf unser Modell der Freiheitsgesellschaft fordern uns einmal mehr zur Verbundenheit und zur Solidarität heraus“, mahnt Walter Schmolly. Der nahende Schulbeginn macht deutlich, was das im Konkreten bedeutet, nämlich Sorge zu tragen, dass kein Kind den Anschluss verliert und die Schere zwischen Arm und Reich sich nicht weiter öffnet. „Dafür braucht es nachhaltige Maßnahmen des Bundes und des Landes ebenso wie das Engagement aller Einrichtungen und auch die Hilfe der Bevölkerung. Als Caritas haben wir ein Anti-Sorgen-Paket geschnürt. Wir sind überzeugt, dass wir damit wirksam helfen können, und sind allen dankbar, die sich an diesem Helfen durch Freiwilligen-Engagement, Sachspenden oder finanzielle Spenden beteiligen“, so der Caritasdirektor abschließend.