Strategien für die Zukunft in der Suchtarbeit

In der Suchtarbeit stehen unterschiedlichste Paradigmen einander gegenüber: Abstinenz oder kontrollierter Konsum, Legalität oder Illegalität verschiedener Substanzen und vieles mehr.

Die bis auf den letzten Platz ausgebuchte Fachtagung „Sucht und Gesellschaft“ im Bildungshaus St. Arbogast, zu der die Stiftung Maria Ebene und die Caritas Vorarlberg gemeinsam geladen hatten, stand unter dem Motto „Wege und Irrwege in der Suchtarbeit“.

„Süchte sind entgleiste Sehnsüchte des Menschen in seiner Suche nach Vollkommenheit und Glück", schrieb der Politiker und Philosoph Niccolo Macchiavelli im 15. Jahrhundert.

Gesund und glücklich zu sein, das sei in der Moderne fascht schon zur „Pflicht“ geworden, und wer dem nicht entspreche, zähle rasch zu den Verlierern, erzählte der Leiter des Südtiroler Therapiezentrums Bad Bachgart, Dr. Helmut Zingerle, aus seiner reichen Erfahrung. In einer Gesellschaft, in der die meisten Menschen vorgeben, glücklich zu sein, weil man ansonsten als `Misserfolg´ abgestempelt werden, setzen viele Menschen eine Maske auf.

„Jahrelange therapeutische Erfahrungen haben gezeigt, dass das, was Suchtkranke suchen – und bei weitem nicht nur Suchtkranke – im Grunde ganz einfach zu beschreiben ist: nämlich in der Geborgenheit einer sinnvollen und verstehbaren Welt zu leben“, betonte Psychologe Helmut Zingerle. "Eine Suchttherapie, die sich ausschließlich auf die Substanzen und die Beendigung dieser Sucht konzentriere, greife zu kurz. Es lohne sich für jeden, darüber nachzudenken, wie schnell wir unser Leben wollen und was uns wirklich gut tut“, regte er das anwesende Fachpublikum auch zum Nachdenken über das eigene Leben an.

Aus der Vergangenheit lernen

Ebenfalls aus einem sehr fundierten Wissen und einem reichen Erfahrungsschatz kann der Zürcher Sozialpsychiater und Psychoanalytiker Prof. DDr. Ambors Uchtenhagen schöpfen. „Sucht ist ein komplexes Phänomen, und nur einen einzigen Blickwinkel darauf zu legen und davon auszugehen, dass dies dann die einzig richtige Wahrheit ist, greift zu kurz.“ Gerade diese Komplexität führe aber immer wieder dazu, dass solche Wahrheitsansprüche gestellt werden.

„Wir wissen heute, dass Sucht nicht ausschließlich individuelle Ursachen hat, sondern dass die Art, wie ein Mensch sein Leben und seine soziale Umgebung erfährt, ein wesentlicher Aspekt ist, der zu Sucht führen kann.“

In der Schweiz wurde im Bereich der Substitutionsbehandlung als Therapieform mit einem pragmatischen Umgang Pionierarbeit geleistet, schon vor fast 30 Jahren wurde in Bern ein so genanntes „Fixerstübli“ eingerichtet. Der Chefarzt der „Psychiatrie Arud“, einem Zentrum für Suchtmedizin in Zürich, Dr. Thilo Beck, verglich in seinem Referat den Einsatz retardierter Morphinpräparate in verschiedenen Ländern.

Auf die diesbezüglichen Erfahrungen in Vorarlberg nahm der Substitutionsarzt der Caritas Vorarlberg, Dr. Herbert Mayrhofer, Bezug. Durch das Projekt „Intensive Cara Substitution“ werden vor allem jene Menschen erreicht, die sich in einer problematischen Konsumphase befinden und in bestehenden höherschwelligen Angeboten nicht halten können.

Einer ganz speziellen Problematik nahm sich schließlich die Frankfurter Professorin für Psychologie und Soziologie, Dr. Irmgard Vogt, an: „Alter und Sucht“. Es falle auf, dass gerade ältere Menschen hier nur allzu gerne bevormundet werden. „Die Menschenrechte weisen ausdrücklich darauf hin, dass ältere Menschen das Recht haben, ihre Lebensweise frei zu wählen und auch in Anstalten ein Recht auf Privatleben haben.“