Wenn Angehörige leiden …

Für 1.795 Menschen in Vorarlberg war im vergangenen Jahr Zeit zu handeln: Der Wunsch, ihr Suchtverhalten in den Griff zu bekommen und ihr Leben in eine positive Richtung zu verändern war größer als die Gewohnheit, Probleme mit Alkohol oder Drogen vermeintlich zu lösen. 

Oft sind es aber auch Angehörige, die Hilfe bei der Suchtfachstelle der Caritas suchen. „Verschiedene Studien belegen, was wir auch in der Praxis immer wieder feststellen: Die Suchterkrankung eines Angehörigen belastet das familiäre System enorm“, weiß Monika Chromy, Fachbereichsleiterin Suchtarbeit der Caritas, aus ihrer langjährigen Erfahrung. „Angehörige  leiden oft stärker als die Betroffenen selbst. Viele schämen sich und versuchen, die Suchterkrankung des Partners, des Elternteils oder des Kindes zu verheimlichen. Und sind selbst damit überfordert. Rückzug und Einsamkeit, psychosomatische Symptome bis hin zu Depressionen sind häufige Folgen.“

Die Angehörigen sind es, denen die Caritas mit einer aktuellen Kampagne spezielles Augenmerk widmet. Die angesprochene Gruppe ist groß: „Jede und jeder Zehnte von uns hat engere Verwandte mit einer Suchtproblematik“, erläutert Monika Chromy. „Im vergangenen Jahr war jeder sechste Klient ein Angehöriger.“ In den meisten Fällen – genauer gesagt 84 Prozent – sind es dabei Frauen, die Hilfe suchen.

„Wenn Angehörige zu uns in die Suchtfachstelle kommen, haben sie meist einen langen Leidensweg hinter sich. Das Leben dreht sich nur noch um das Leben des Partners, beziehungsweise der Partnerin. Einerseits übernehmen sie zu viel Verantwortung und schützen ihren Angehörigen, andererseits versuchen sie, Kontrolle auszuüben. Die Verhaltensweisen wirken systemerhaltend, sie verhindern, dass der suchtkranke Mensch mit den Auswirkungen seiner Sucht konfrontiert wird“, macht Monika Chromy bewusst und warnt gleichzeitig: „Die suchtfördernden Muster werden oftmals in den Familien weitergegeben, wodurch die Kinder später oft selbst von Abhängigkeit oder anderen psychischen Problemen betroffen werden.“ Wissenschaftliche Erhebungen bestätigen, dass nur etwa ein Drittel der Kinder aus suchtbetroffenen Familien eine entsprechende Resilienz aufweist und gesund bleibt.


Leben wieder positiver gestalten

Suchtberatung und Therapie sowie Gruppenangebote zielen im ersten Schritt darauf ab, das Augenmerk der Angehörigen weg vom abhängigen Menschen auf das eigene Leben zu lenken, um so den Selbstwert zu stärken oder wieder zu gewinnen. „Eine große Herausforderung besteht darin, ungesunde Verhaltensmuster zu erkennen und deren Sucht erhaltende Wirkung aufzuzeigen. Ziel ist es, die Verstrickungen mit dem abhängigen Menschen aufzulösen und das eigene Leben wieder positiver zu gestalten, unabhängig davon, was der/die von Abhängigkeit Betroffene macht“, erläutert Monika Chromy. Durch die Veränderung des Verhaltens der Angehörigen können sie sehr wohl Einfluss auf die Inanspruchnahme professioneller Hilfe durch den suchtkranken Menschen haben.

 

Ärztebefragung: Gute Kooperation

Ein wichtiger Multiplikator in der Hilfe für suchtkranke Menschen sowie deren Angehörige sind die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte in Vorarlberg. ÄrztInnen sind oft die erste Anlaufstelle von Angehörigen von Suchtkranken, welche oft an somatischen Beschwerden leiden. Im Rahmen der laufenden Angehörigenkampagne führte die Suchtfachstelle eine Erhebung unter der Ärzteschaft durch. Das Ergebnis in Kurzform: Neun von zehn Ärzten gaben an, dass Suchterkrankungen – egal ob Betroffene oder Angehörigen - bei ihren PatientInnen Thema ist. Erfreulich: Zwei Drittel der Ärzte fühlten sich aber über die Beratungsangebote im Land gut informiert.

 

Hilfe bei Suchtproblemen 

 

  • Seit über 60 Jahren bietet die Caritas wichtige Hilfestellungen für suchtkranke Menschen und deren Angehörige an: 
  • Einzelberatung und –therapie, Paar- und Familientherapie
  • Gruppenangebote (unter anderem eine Angehörigen-Gruppe, eine Mütter-Gruppe sowie die „Trampolin“-Gruppe für Kinder)
  • Krankenhausprojekt (Information für Jugendliche, Hilfestellungen für die Eltern, aber auch Jugendliche als Angehörige)
  • Für ältere Menschen: Unterstützung und Beratung der Angehörigen und bei Übergängen in die Pflege, Unterstützung von ambulanten und stationären Pflegediensten
  • Betriebliche Suchtarbeit 

Und noch einige Zahlen:

 

  • 1.795 Menschen suchten 2018 Rat und Hilfe in der Suchtberatung der Caritas
  • Für 1.201 KlientInnen war ihre Alkoholsucht ausschlaggebend, um Hilfe zu suchen.
  • 205 Angehörige setzten durch das Aufsuchen der Suchtberatung einen ersten Schritt, um Veränderung in ihrer Familie zu bewirken.
  • 113 Betroffene suchten auf Grund ihrer Essstörung die Suchtfachstelle auf.
  • 134 KlientInnen möchten ihr Suchtverhalten in Bezug auf illegale Substanzen verändern.